3803-PS

Kaltenbrunner an Blaschke: Vorbehaltlich einer Sonderaktion

Ernst Kaltenbrunner in Nürnberg
Ernst Kaltenbrunner in Nürnberg

Der Bürgermeister
der Stadt Wien
Wien, am 11. März 1946.

An die
USFA - Rechtsabteilung,
Wien 9.,
Otto Wagnerplatz.

Ich erlaube mir einen Brief des früheren Chefs der Sicherheitspolizei und des SD Dr. Kaltenbrunner an den früheren Bürgermeister der Stadt Wien Blaschke mit dem Ersuchen zu übermitteln, denselben an den Gerichtshof in Nürnberg weiterzuleiten. Dieser Brief wurde unter den Akten im Wiener Rathaus vorgefunden und ist nach meiner Meinung ein wichtiges Beweisdokument für den Kriegsverbrecherprozess in Nürnberg. Ich übermittle diesen Brief zu Ihren Händen, da Nürnberg in der amerikanischen Besatzungszone liegt.

Eine Abschrift des Briefes geht gleichzeitig an den Herrn Justizminister Dr. Gerö.

Der Bürgermeister der Stadt Wien:
Körner


Der Chef der Sicherheitspolizei
und des SD
IV A 4 b - 3 4 3 3/ 4 2 g(1 4 4 6)
Bitte in der Antwort vorstehendes
Geschäftszeichen u. Datum anzugeben.

Berlin SW 68,
den 30. Juni 1944
Prinz-Albrecht-Straße 8
Fernsprecher: 12 00 40

Geheim

Schnellbrief

An den
Herrn Bürgermeister der Stadt Wien,
SS-Brigadeführer Blaschke.
Wien.

Betrifft: Zuteilung von Arbeitskräften für kriegswichtige Arbeiten der Stadt Wien.

Bezug: Dein Schreiben vom 7.6.1944.

Lieber Blaschke!

Aus den von Dir — in gleicher Angelegenheit hat mir übrigens SS-Brigadeführer Dr. Dellbruegge geschrieben — angeführten besonderen Gründen habe ich inzwischen angeordnet, einige Evakuierungstransporte nach Wien/Strasshof zu leiten.

Es handelt sich zunächst um 4 Transporte mit etwa 12.000 Juden, die bereits in den nächsten Tagen in Wien eintreffen.

Nach den bisherigen Erfahrungen werden bei diesen Transporten schätzungsweise etwa 30% (im vorliegenden Fall etwa 3.600) an arbeitsfähigen Juden anfallen, die unter Vorbehalt ihres jederzeitigen Abzuges zu den in Rede stehenden Arbeiten herangezogen werden können. Daß nur ein gut bewachter, geschlossener Arbeitseinsatz und eine gesicherte lagermäßige Unterbringung in Betracht kommen kann, liegt auf der Hand und ist unbedingte Voraussetzung für die Bereitstellung dieser Juden.

Die nichtarbeitsfähigen Frauen und Kinder dieser Juden, die sämtlich für eine Sonderaktion bereitgehalten und deshalb eines Tages wieder abgezogen werden, müssen auch tagsüber in dem bewachten Lager verbleiben.

Weitere Einzelheiten bitte ich, mit der Staatspolizeileitstelle Wien — SS-Obersturmbannführer Dr. Ebner und SS-Obersturmbannführer Krumey vom Sondereinsatzkommando Ungarn, der sich z.Zt. in Wien aufhält,— zu besprechen.

Ich hoffe, daß Dir diese Transporte bei Deinen vordringlichen Arbeitsvorhaben eine Hilfe sein werden und verbleibe mit
Heil Hitler!

Dein
Kaltenbrunner

Quellen:

  1. Der Nürnberger Prozess, Urkunden und anderes Beweismaterial
    Delphin-Verlag, München 1989
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