31.8.1939

Überfall auf den Sender Gleiwitz

Ich, Alfred Naujocks, mache unter Eid und nach vorheriger Einschwörung folgende Erklärung:

1. Ich war von 1931 bis 19. Oktober 1944 ein Mitglied der SS und von ihrer Gründung im Jahre 1934 bis Januar 1941 ein Mitglied des SD. Ich diente als Mitglied der Waffen-SS von Februar 1941 bis Mitte 1942. Später arbeitete ich in der wirtschaftlichen Abteilung der Militärverwaltung von Belgien von September 1942 bis September 1944. Am 19. Oktober ergab ich mich den Alliierten.

2. Ungefähr am l0. August 1939 befahl mir Heydrich, der Chef der Sipo und des SD, persönlich, einen Anschlag auf die Radiostation bei Gleiwitz in der Nähe der polnischen Grenze vorzutäuschen und es so erscheinen zu lassen, als wären Polen die Angreifer gewesen. Heydrich sagte: "Ein tatsächlicher Beweis für polnische Übergriffe ist für die Auslandspresse und für die deutsche Propaganda nötig." Mir wurde befohlen, mit 5 oder 6 anderen SDMännern nach Gleiwitz zu fahren, bis ich das Schlüsselwort von Heydrich erhielt, daß der Anschlag zu unternehmen sei. Mein Befehl lautete, mich der Radiostation zu bemächtigen und sie so lange zu halten, als nötig ist, um einem polnisch sprechenden Deutschen die Möglichkeit zu geben, eine polnische Ansprache über das Radio zu halten. Dieser polnisch sprechende Deutsche wurde mir zur Verfügung gestellt. Heydrich sagte, daß es in der Rede heißen solle, daß die Zeit für eine Auseinandersetzung zwischen Polen und Deutschen gekommen sei und daß die Polen sich zusammentun und jeden Deutschen, der ihnen Widerstand leistet, niederschlagen sollten. Heydrich sagte mir damals auch, daß er Deutschlands Angriff auf Polen in wenigen Tagen erwartete.

3. Ich fuhr nach Gleiwitz und wartete dort 14 Tage. Dann bat ich Heydrich um Erlaubnis, nach Berlin zurückkehren zu dürfen, wurde aber angewiesen, in Gleiwitz zu bleiben. Zwischen dem 25. und 31. August suchte ich Heinrich Müller, den Chef der Gestapo, auf, der sich damals in der Nähe in Oppeln befand. In meiner Gegenwart erörterte Müller mit einem Mann namens Mehlhorn Pläne für einen Grenzfall, in dem vorgetäuscht werden sollte, daß polnische Soldaten deutsche Truppen angreifen ... Deutsche in der Anzahl von ungefähr einer Kompanie sollten dazu verwendet werden. Müller sagte, er hätte ungefähr 12 oder 13 verurteilte Verbrecher, denen polnische Uniformen angezogen werden sollten und deren Leichen auf dem Schauplatz der Vorfälle liegen gelassen werden sollten, um zu zeigen, daß sie im Laufe der Anschläge getötet worden seien. Für diesen Zweck war für sie eine tödliche Einspritzung vorgesehen, die von einem Doktor gemacht werden sollte, der von Heydrich angestellt war; dann sollten ihnen auch Schußwunden zugefügt werden. Nachdem der Anschlag beendet war, sollten Mitglieder der Presse und andere Leute auf den Schauplatz geführt werden; weiter sollte ein polizeilicher Bericht angefertigt werden.

4. Müller sagte mir, daß er von Heydrich Befehl hatte, einen dieser Verbrecher mir zur Verfügung zu stellen für meine Tätigkeit in Gleiwitz. Das Kennwort, mit dem er diese Verbrecher nannte, war "Konserven".

5. Der Vorfall in Gleiwitz, an dem ich teilnahm, wurde am Vorabend des deutschen Angriffs auf Polen ausgeführt. Soweit ich mich erinnere, brach der Krieg am 1. September 1939 aus. Am Mittag des 31. August bekam ich von Heydrich per Telephon das Schlüsselwort, daß der Anschlag um 8.00 Uhr abends desselben Tages zu erfolgen habe. Heydrich sagte: "Um diesen Anschlag auszuführen, melden Sie sich bei Müller wegen der Konserven." Ich tat dies und wies Müller an, den Mann in der Nähe der Radiostation an mich abzuliefern. Ich erhielt diesen Mann und ließ ihn am Eingang der Station hinlegen. Er war am Leben, aber nicht bei Bewußtsein. Ich versuchte, seine Augen zu öffnen. Von seinen Augen konnte ich nicht feststellen, daß er am Leben war, nur von seinem Atem. Ich sah keine Schußwunden, nur eine Menge Blut über sein ganzes Gesicht verschmiert. Er trug Zivilkleider.

6. Wir nahmen die Radiostation wie befohlen, hielten eine drei oder vier Minuten lange Rede über einen Notsender, schossen einige Pistolenschüsse ab und verließen den Platz.

Beschworen und unterschrieben vor Leutnant Martin.

Quelle:

  1. Walther Hofer
    Die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges
    Frankfurt, 1967, S. 327f

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