25.1.1939
Eine Studie des Auswärtigen Amtes
zur Auswanderung der Juden
Auswärtiges Amt
Berlin, den 25. Januar 1939
83-26 19/1
Inhaltsangabe:
Die Judenfrage als Faktor der Außenpolitik im Jahre 1938
- Die deutsche Judenpolitik als Voraussetzung und Konsequenz der außenpolitischen Entschlüsse des Jahres 1938.
- Ziel der deutschen Judenpolitik: Auswanderung.
- Mittel, Wege und Ziel der jüdischen Auswanderung.
- Der ausgewanderte Jude als beste Propaganda für die deutsche Judenpolitik.
An
alle diplomatischen und berufskonsularischen
Vertretungen im Ausland
Es ist wohl kein Zufall, daß das Schicksalsjahr 1938 zugleich mit der Verwirklichung des großdeutschen Gedankens die Judenfrage ihrer Lösung nahegebracht hat. Denn die Judenpolitik war sowohl Voraussetzung wie Konsequenz der Ereignisse des Jahres 1938. Mehr vielleicht als die machtpolitische Gegnerschaft der ehemaligen Feindbundmächte des Weltkrieges hat das Vordringen jüdischen Einflusses und der zersetzenden jüdischen Geisteshaltung in Politik, Wirtschaft und Kultur die Kraft und den Willen des deutschen Volkes zum Wiederaufstieg gelähmt. Die Heilung dieser Krankheit des Volkskörpers war daher wohl eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Kraftanstrengung, die im Jahre 1938 gegen den Willen einer Welt den Zusammenschluß des großdeutschen Reiches erzwang.
Die Notwendigkeit für eine radikale Lösung der Judenfrage ergab sich aber auch als Konsequenz der außenpolitischen Entwicklung, die zu den im Altreich lebenden 500 000 Glaubensjuden weitere 200 000 in Österreich einbrachte. Der unter dem Schuschnigg-System ins Maßlose gewachsene Einfluß des Judentums in der österreichischen Wirtschaft machte sofortige Maßnahmen notwendig, die die Ausschaltung des Judentums aus der deutschen Wirtschaft und den Einsatz des jüdischen Vermögens im Interesse der Allgemeinheit zum Ziele hatten. Die als Vergeltung für die Ermordung des Gesandtschaftsrats vom Rath einsetzende Aktion hat diesen Prozeß so beschleunigt, daß der jüdische Einzelhandel bisher mit Ausnahme ausländischer Geschäfte - im Straßenbild völlig verschwunden ist. Die Liquidierung der jüdischen Großhandels- und Fabrikationsbetriebe und des Haus- und Grundbesitzes in der Hand von Juden wird allmählich so weit gefördert, daß in absehbarer Zeit von jüdischem Besitz in Deutschland nicht mehr gesprochen werden kann. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß es sich nicht um eine entschädigungslose Beschlagnahme jüdischen Vermögens handelt wie z. B. bei der Konfiskation der Kirchengüter während der französischen Revolution. Vielmehr erhält der enteignete Jude für seinen Besitz Reichsschuldverschreibungen, deren Zinsen ihm zustehen.
Das letzte Ziel der deutschen Judenpolitik ist die Auswanderung aller im Reichsgebiet lebenden Juden. Es ist vorauszusehen, daß schon die einschneidenden Maßnahmen auf wirtschaftlichem Gebiet, die den Juden "vom Verdienst auf die Rente" gesetzt haben, den Auswanderungswillen fördern werden. Im Rückblick auf die vergangenen 5 Jahre seit der Machtergreifung ist jedenfalls festzustellen, daß weder das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums noch die Nürnberger Judengesetze mit ihren Durchführungsvorschriften, die jede Assimilierungstendenz des Judentums unterbanden, wesentlich zur Abwanderung der deutschen Juden beigetragen haben. Im Gegenteil hat in jeder Periode innenpolitischer Beruhigung ein solcher Rückstrom jüdischer Emigranten eingesetzt, daß sich die Geheime Staatspolizei veranlaßt sah, jüdische Rückwanderer mit deutschem Paß zunächst zur politischen Kontrolle in einem Schulungslager unterzubringen.
Aus Politik und Kultur war der Jude ausgeschaltet. Aber bis 1938 war seine wirtschaftliche Machtposition in Deutschland und damit sein zäher Wille, bis zum "Anbruch besserer Zeiten" auszuhalten, ungebrochen. Bezeichnend für diese Taktik des hinhaltenden Widerstandes ist das Programm einer in Polen neu gegründeten jüdischen Partei, allen auf Emigration des Judentums gerichteten polnischen Maßnahmen den Kampf anzusagen. Solange der Jude noch in der deutschen Wirtschaft verdienen konnte, so lange brauchte in den Augen des Weitjudentums die jüdische Bastion in Deutschland noch nicht aufgegeben werden.
Der Jude hatte aber die Konsequenz und die Kraft des nationalsozialistischen Gedankens unterschätzt. Zugleich mit dem in Versailles zur Niederhaltung Deutschlands geschaffenen Staatensystem in Mitteleuropa brach 1938 auch die jüdische Machtposition in Wien und Prag zusammen. Italien stellte sich mit seiner Rassengesetzgebung Deutschland im Kampf gegen du Judentum an die Seite. In Bukarest übernahm ein Kenner der Judenfrage, Professor Goga, mit einem gegen das Judentum gerichteten Programm die Regierung, ohne sich allerdings gegen den übermächtigen internationalen Druck von Paris und London durchsetzen zu können. In Ungarn und Polen wurde das Judentum unter Sondergesetzgebung gestellt. Überall beginnt jetzt der deutsche außenpolitische Erfolg von München wie ein Erdbeben in seinen Ausläufern auch in entfernten Staaten die seit Jahrhunderten befestigte Position des Judentums zu erschüttern.
Es ist auch verständlich, wenn das Weltjudentum, "das sich Amerika als Hauptquartier ausersehen hat", das Abkommen von München, das nach amerikanischer Auffassung den Zusammenbruch der demokratischen Front in Europa bedeutet, als eigene Niederlage empfindet. Denn das System der parlamentarischen Demokratie hat erfahrungsgemäß stets den Juden auf Kosten der Gastvölker zu Reichtum und politischer Macht verholfen. Wohl zum ersten Mal in der modernen Geschichte muß das Judentum jetzt eine bereits gesicherte Stellung wieder räumen.
Dieser Entschluß wurde erst 1938 gefaßt. Er äußerte sich in dem Bemühen der westlichen Demokratien, insbesondere der Vereinigten Staaten von Amerika, den nunmehr endgültig beschlossenen jüdischen Rückzug aus Deutschland d. h. die Abwanderung des Judentums unter internationale Kontrolle und Protektion zu stellen. Der amerikanische Präsident Roosevelt, "der bekanntlich in seinem engeren Rat von einer ganzen Reihe von Exponenten des Judentums umgeben ist", berief bereits Mitte 1938 eine Staatenkonferenz zur Beratung der Flüchtlingsfrage ein, die in Evian ohne besondere sachliche Ergebnisse tagte. Beide Fragen, deren Beantwortung die Bedingung einer geordneten jüdischen Abwanderung bildet, blieben offen: einmal die Frage, wie diese Auswanderung zu organisieren und zu finanzieren sei, zweitens die Frage, wohin die Auswanderung zu lenken sei.
Zur Beantwortung der ersten Frage schien insbesondere das internationale Judentum nicht geneigt zu sein, einen Beitrag zu liefern. Vielmehr betrachtete es die Konferenz - und das später von ihr in London unter Führung des Amerikaners Rublee gebildete Komitee - als ihre Hauptaufgabe, Deutschland unter internationalem Druck zur Freigabe des jüdischen Vermögens in möglichst weitem Ausmaß zu zwingen. Deutschland sollte also die Abwanderung seiner 700 000 Juden mit der Preisgabe deutschen Volksvermögens erkaufen. Dabei ist zu bezweifeln, ob das internationale Judentum Überhaupt ernstlich die Massenabwanderung seiner Rassegenossen aus Deutschland und aus anderen Staaten ohne das Äquivalent eines Judenstaats wünscht. Die in den bisherigen jüdischen Vorschlägen eingeschlagene Taktik zielt jedenfalls weniger auf die Massenabwanderung von Juden als auf den Transfer jüdischen Vermögens ab.
Es ist selbstverständlich, daß der Transfer auch nur eines Bruchteils jüdischen Vermögens devisentechnisch unmöglich wäre. Die Finanzierung einer Massenabwanderung deutscher Juden ist daher noch ungeklärt. Auf Anfragen wäre gesprächsweise zu erwidern, daß deutscherseits damit gerechnet werde, daß das internationale Judentum insbesondere die Verwandten der auswandernden Juden - die Abwanderungsaktion ebenso nachdrücklich unterstützen würde, wie es seinen mittellosen Rassegenossen zu einer Zeit, als Deutschlands Schwäche den Zustrom der Ostjuden nicht aufhalten konnte, die Einwanderung nach Deutschland ermöglicht habe. Es sei jedenfalls an Hand der Polizei- und Steuerakten nachzuweisen, daß die große Masse der Juden mittellos nach Deutschland einwanderte und in wenigen Jahren oder Jahrzehnten zu Vermögen gelangte, während das deutsche Volk durch die Tributbestimmungen des Versailler Vertrages seinen Besitz verlor oder in Arbeitslosigkeit verkam. Es bestehe daher deutscherseits auch kein Verständnis für das Mitleid, mit dem eine angeblich humanitäre Welt die Enteignung dieses dem deutschen Volke durch jüdische Geschäftsmethoden entzogenen Besitzes als ein Unrecht beklage.
Die zweite Frage, in welche Zielländer eine organisierte Abwanderung der luden gelenkt werden soll, konnte von der Konferenz in Evian ebenso wenig beantwortet werden, da jedes der beteiligten Länder unter Bekundung grundsätzlicher Anteilnahme an dem Flüchtlingsproblem sich außerstande erklärte, größere Massen jüdischer Auswanderer auf seinem Territorium aufnehmen zu können. Nachdem noch in den Jahren 1933/34 über 100 000 Juden aus Deutschland legal oder illegal den Weg ins Ausland gefunden hatten und sich mit Hilfe ihrer jüdischen im Ausland lebenden Verwandten oder des Mitleids humanitär eingestellter Kreise in einen neuen Gaststaat einnisten konnten, haben inzwischen fast alle Staaten der Welt ihre Grenzen gegen die lästigen jüdischen Eindringlinge hermetisch verschlossen. Das Problem der jüdischen Massenauswanderung ist damit zunächst praktisch festgefahren. Viele Staaten sind bereits so vorsichtig geworden, von ordnungsmäßig einreisenden Juden mit deutschen Pässen eine Bescheinigung der deutschen Behörden zu verlangen, daß ihrer Rückreise nichts entgegensteht.
Bereits die Wanderungsbewegung von nur etwa 100 000 Juden hat ausgereicht, um das Interesse, wenn nicht das Verständnis, vieler Länder für die jüdische Gefahr zu wecken. Wir können ermessen, daß sich die Judenfrage zu einem Problem der internationalen Politik ausweiten wird, wenn große Massen der Juden aus Deutschland, aus Polen, Ungarn und Rumänien durch den zunehmenden Druck ihrer Gastvölker in Bewegung gesetzt werden. Auch für Deutschland wird die Judenfrage nicht ihre Erledigung gefunden haben, wenn der letzte Jude deutschen Boden verlassen hat.
Es ist bereits heute für die deutsche Politik eine wichtige Aufgabe, den Strom der jüdischen Wanderung zu kontrollieren und nach Möglichkeit zu lenken. Allerdings besteht keine Veranlassung, mit anderen Staaten wie Polen, Ungarn und Rumänien, die selbst die Abwanderung ihrer jüdischen Bevölkerungsteile anstreben, an der Lösung dieses Probleme zusammenzuarbeiten. Erfahrungsgemäß konkurrieren bei dieser Prozedur die gleichgerichteten Interessen und hemmen die Verwirklichung des vordringlichen deutschen Anspruchs auf Aufnahme der deutschen Juden in andere Zielländer.
Zwar hat die rumänische Regierung einen offiziellen Appell an die Reichsregierung unter dem Motto der menschlichen Moral und Gerechtigkeit gerichtet, an einer internationalen Aktion zur Lösung der Judenfrage mitzuarbeiten. Andererseits hat aber Polen Ende Oktober v. J. eine Verordnung erlassen, deren Durchführung die Rückkehr von 60 000 aus Deutschland ansässigen Juden polnischer Staatsangehörigkeit nach Polen praktisch unmöglich gemacht hätte. Bekanntlich mußte sich die Reichsregiemng daraufhin entschließen, etwa 16 000 Juden polnischer Staatsangehörigkeit, denen ihre Familien folgen werden, kurz vor Inkrafttreten der polnischen Verordnung nach Polen abzuschieben. Die ungarische Regierung hat allerdings insoweit Verständnis für die deutsche Judenpolitik gezeigt, als sie von sich aus die Arisierung jüdisch-ungarischer Geschäfte in Deutschland d. h. Ersetzung der jüdischen Geschäftsinhaber durch nationale Ungarn in Aussicht gestellt hat. Im allgemeinen zeigt sich aber das Bild, daß das egoistische Interesse der beteiligten Staaten an einer vorzugsweisen Abschiebung ihrer eigenen jüdischen Volksteile vor jeder internationalen Lösung den Vorrang besitzt. Deutschland wird daher selbst die Initiative ergreifen, um zunächst für die Abwanderung der Juden aus Deutschland Mittel, Wege und Ziel zu finden.
Palästina, das der Volksmund bereits schlagwortartig zum Auswanderungsland bestimmt hat, kommt als Ziel der jüdischen Auswanderung schon deswegen nicht in Frage, weil seine Aufnahmefähigkeit für einen Massenzustrom von Juden nicht ausreicht. Unter dem Druck des arabischen Widerstands hat die Britische Mandatsregierung die jüdische Einwanderung nach Palästina auf ein Minimum beschränkt. Von deutscher Seite war zunächst die Auswanderung deutscher Juden nach Palästina durch Abschluß eines Abkommens mit der Vertretung des Judentums in Palästina, das den Transfer jüdischen Vermögens im Wege zusätzlichen Exports ermöglichte, weitgehend gefördert worden.
(Haavara-Abkommen). Abgesehen davon, daß durch diese Methode lediglich einer geringen Anzahl vermögender Juden, aber nicht der Masse besitzloser Juden die Auswanderung ermöglicht wurde, standen auch grundsätzlich außenpolitische Erwägungen dieser Form der Auswanderung entgegen: Der Transfer jüdischen Vermögens aus Deutschland trug nicht unwesentlich zum Aufbau eines Judenstaats in Palästina bei. Deutschland muß aber in der Bildung eines Judenstaats, der auch in Miniaturform für das Weltjudentum eine ähnliche Aktionsbasis wie der Vatikanstaat für den politischen Katholizismus bilden würde und der nur einen Bruchteil der Juden absorbieren könnte, eine Gefahr sehen. Die Erkenntnis, daß das Judentum in der Welt stets der unversöhnliche Gegner des Dritten Reiches sein wird, zwingt zu dem Entschluß, jede Stärkung der jüdischen Position zu verhindern. Ein jüdischer Staat würde aber dem Weltjudentum einen völkerrechtlichen Machtzuwachs bringen. Alfred Rosenberg hat diese Gedanken in seiner Rede in Detmold am 15. Januar d. J. folgendermaßen formuliert:
"Das Judentum erstrebt heute einen Judenstaat in Palästina. Aber nicht etwa, um den Juden in aller Welt eine Heimat zu geben, sondern aus anderen Gründen; das Weltjudentum müsse einen kleinen Miniaturstaat haben, um exterritoriale Gesandte und Vertreter in alle Länder der Welt senden und durch diese seine Herrschaftsgelüste vorwärtstreiben zu können. Vor allem aber will man ein jüdisches Zentrum, einen jüdischen Staat haben, in den man die jüdischen Hochstapler aus aller Welt, die von der Polizei anderer Länder verfolgt werden, unterbringen, mit neuen Pässen ausrüsten und dann in andere Teile der Welt schicken kann. Es ist zu wünschen, daß die Judenfreunde in der Welt, vor allem die westlichen Demokratien, die über soviel Raum in allen Erdteilen verfügen, den Juden ein Gebiet außerhalb Palästinas zuweisen, allerdings nicht, um einen jüdischen Staat, sondern um ein jüdisches Reservat einzurichten."
Das ist das Programm der außenpolitischen Haltung Deutschlands in der Judenfrage. Es besteht deutscherseits ein größeres Interesse daran, die Zersplitterung des Judentums aufrechtzuerhalten. Die Kalkulation, daß sich damit in der ganzen Welt Boykottherde und antideutsche Zentren bilden würden, läßt die bereits jetzt zu beobachtende Erscheinung außer acht, daß der Zustrom der Juden in allen Teilen der Welt den Widerstand der eingesessenen Bevölkerung hervorruft und damit die beste Propaganda für die deutsche Judenpolitik darstellt.
In Nordamerika, in Südamerika, in Frankreich, in Holland, Skandinavien und Griechenland - überall, wohin sich der jüdische Wanderungsstrom ergießt, ist bereits heute eine deutliche Zunahme des Antisemitismus zu verzeichnen. Diese antisemitische Welle zu fördern, muß eine Aufgabe der deutschen Außenpolitik sein. Sie wird weniger erfüllt durch deutsche Propaganda im Ausland, als durch die Propaganda, die der Jude zu seiner Verteidigung in Gang zu setzen gezwungen ist. Sie wird sich in ihrer Wirkung zuletzt gegen ihn selbst wenden. Die Berichte der deutschen Auslandsbehörden beweisen die Richtigkeit dieser Auffassung:
Presse und amtliche Berichterstattung aus Nordamerika melden laufend von antijüdischen Kundgebungen der Bevölkerung. Es ist vielleicht symptomatisch für die innenpolitische Entwicklung in USA, daß die Hörerschar des bekannten antijüdisch eingestellten "Radiopriesters" Coughlin auf über 20 Millionen angewachsen ist.
- Die Gesandtschaft in Montevideo berichtet am 12. Dezember v. J., "daß der jüdische Zustrom monatelang Woche für Woche andauert. Es steht außer Frage, daß der Antisemitismus hier wächst." Saloniki berichtet unter dem 30. November 1938: "daß Kräfte am Werk sind, um den Haß gegen die Juden zu schüren", und gleichzeitig, daß das griechische Freimaurertum die antisemitische Bewegung zu hemmen bemüht ist.
- In Frankreich sollte sich im April d. J. die Pariser Stadtversammlung über einen Antrag aussprechen, auf Grund dessen die Naturalisierung von Juden in Zukunft abgelehnt werden sollte. Die Beratung über die Judenfrage endete mit einer Schlägerei der Debatteredner.
- Lyon berichtet am 20. Dezember v. J.: "Die Einwanderung jüdischer Flüchtlinge hat hier letzthin zu Unliebsamkeiten geführt. Die allgemein in Frankreich bestehende, auf geschäftlichen und Konkurrenzgründen beruhende Abneigung gegen die neuen Eindringlinge ist unverkennbar."
- Diese Abneigung ist inzwischen so gewachsen, daß sich bereits eine jüdische Abwehr gegen den Antisemitismus in Frankreich organisiert hat (Bericht Paris vom 19. November v. J.).
- Die Gesandtschaft im Haag berichtet am 30. Dezember v. J.: "Unter dem Eindruck der zahlreichen Emigranten aus Deutschland, die sich namentlich in Amsterdam sehr breit machen, ist der Antisemitismus in Holland im starken Zunehmen. Und wenn es so weiter geht, kann der Fall leicht eintreten, daß der Holländer für das Vorgehen Deutschlands gegen die Juden nicht nur Verständnis gewinnt, sondern auch den Wunsch empfindet, es ebenso zu machen wie wir."
- Die Gesandtschaft in Oslo berichtet am 8. April v. J.: "Während noch vor wenigen Jahren das Straßenbild 0slos kaum durch Juden entstellt wurde, ist hierin in letzter Zeit ein starker Wandel eingetreten. Auf den Straßen, in den Restaurants und vor allem in den Kaffeehäusern sitzen die Juden zu scheußlichen Klumpen geballt. Die Norweger werden mehr und mehr verdrängt. Die norwegische Presse, die bisher so gar kein Verständnis für die Judenfrage hatte, merkt plötzlich, was es heißt, wenn eines Tages die Kinder Israels wie die Heuschrecken in ein Land einfallen. Es wird eine ganz heilsame Lehre rein, die Norwegen hier erteilt wird."
Diese Beispiele aus der Berichterstattung der Auslandsbehörden können beliebig vermehrt werden. Sie bestätigen die Richtigkeit der Erwartung, daß die Kritik an den mangels Tatbestandes in vielen Ländern nicht verständlichen Maßnahmen zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Lebensraum eine Übergangserscheinung darstellt und sich in dem Augenblick gegen das Judentum selbst wenden wird, wo der Augenschein die Bevölkerung lehrt, was die jüdische Gefahr für ihren Bestand bedeutet. Je ärmer und damit belastender für das Einwanderungsland der einwandernde Jude ist, desto stärker wird das Gastland reagieren und desto erwünschter ist die Wirkung im deutschen propagandistischen Interesse. Das Ziel dieses deutschen Vorgehens soll eine in der Zukunft liegende internationale Lösung der Judenfrage sein, die nicht von falschem Mitleid mit der "vertriebenen religiösen jüdischen Minderheit", sondern von der gereiften Erkenntnis aller Völker diktiert ist, welche Gefahr das Judentum für den völkischen Bestand der Nationen bedeutet.
Im Auftrag
Schumburg