Schwarzbuch des polnischen Judentums[1]

Ein Bericht über das Leiden der polnischen Juden unter der Nazi-Besatzung

Herausgeber: Jacob Apenszlak
Mitherausgeber: Jacob Kenner
Dr. Isaac Lewin
Dr. Moses Polakiewicz

Den Druck des Buches förderten Eleanor Roosevelt, Professor Albert Einstein, der Bürgermeister der Stadt New York Fiorello H. Laguardia, und andere

© der amerikanischen Originalversion 1943 beim "Amerikanischen Verband der Polnischen Juden"


Kapitel 9

TREBLINKA

Offizieller Bericht an die polnische [Exil-]Regierung
Aus dem Amerikanischen von Frank Beer

Das Dorf Treblinka liegt in der Nähe der Eisenbahnlinie Warschau-Bialystok, ein paar Kilometer von Malkinia entfernt, in einer wald- und sandreichen Gegend. Die Bevölkerung besteht aus polnischen Kleinbauern und Waldarbeitern. Auf den sandigen Flächen in der Nähe des Dorfes errichteten die Deutschen im Jahre 1940 für Polen, die gewisse Verstöße gegen die Besatzer begangen oder nicht das geforderte Kontingent an landwirtschaftlichen Erzeugnissen geliefert hatten, oder die man beim Schmuggeln gefasst hatte, das Straf- und Konzentrationslager Treblinka A. In dem Lager herrscht strenge Disziplin. Häftlinge werden aus beliebigem Anlass erschossen. Das Lager ist ebenso berüchtigt wie das Straflager Auschwitz.

Im März 1942 begannen die Deutschen in der Nähe mit dem Bau eines weiteren Lagers, Treblinka B. Dieses Lager wurde zum Schlachthof für die Juden aus Polen und anderen europäischen Ländern auserkoren. Polen aus dem nahen Treblinka A, ebenso wie Juden, die man in den benachbarten Dörfern fing, wurden für die vorbereitenden Bauarbeiten eingesetzt. Diese Arbeiten dauerten bis Ende April, als das zentrale Gebäude des Lagers, das Todeshaus Nr. 1, gebaut wurde.

Treblinka B liegt auf sandigen Hügeln inmitten von Hainen. Der Bereich des Lagers ist vergleichsweise klein und umfasst rund 5 Hektar[2]. Er ist vollständig von einer Hecke umzäunt, die dicht mit Stacheldraht durchflochten ist. Ein Teil der Umzäunung verläuft durch einen jungen Wald auf der Nordseite. An den vier Ecken des Lagers sind Beobachtungspunkte für den Lagerschutz[3] platziert. Der Lagerschutz rekrutiert sich größtenteils aus Ukrainern, die mit Maschinengewehren bewaffnet sind. An den Beobachtungspunkten sind starke Scheinwerfer aufgestellt worden, um den gesamten Platz in der Nacht beleuchten zu können. Beobachtungsposten gibt es auch in der Mitte des Lagers und auf den Hügeln neben den Hainen. Die Westgrenze von Treblinka B verläuft entlang eines Bahndammes, auf dem sich ein Nebengleis befindet, welches das Lager mit dem Hauptgleis verbindet. Das Nebengleis ist in den letzten Monaten gebaut worden, damit die Transportzüge direkt zum Schlachthof geleitet werden können. Die nördliche Grenze des Lagers wird durch den Wald gebildet; östlich und südlich durchschneidet die Grenze sandige Hügel. Auf dem Lagergelände stehen Büsche in einer langen Reihe parallel zur Eisenbahnstrecke, deren Verlauf im Norden beginnt.

An das Nebengleis grenzt die Rampe; die Züge mit den Transporten halten dort. Von dieser Rampe führt ein Ausgang zu einem Platz, der 2000 - 3000 Menschen aufnehmen kann. Der Platz ist mit Stacheldraht eingezäunt. Auf dem Platz befindet sich unweit der Nordgrenze eine Holzbaracke. In der südwestlichen Ecke des Platzes steht ein Wachhäuschen, das rund um die Uhr mit einem Militärposten besetzt ist. Südlich des Platzes und außerhalb der Umzäunung liegt der Lumpensortierungsplatz und weiter südlich befinden sich die Hinrichtungsstätte des Lager-Kommandanten sowie die Gräber der Opfer, die von ihm ermordet wurden. Der Ankunftsplatz ist mit dem übrigen Areal durch ein Tor in der nordöstlichen Ecke der Umzäunung verbunden. Von dort führt ein Weg ungefähr 200 Meter nach Osten durch den Wald, macht dann einen rechtwinkligen Knick nach Süden und verläuft neben dem Wald parallel zur Westgrenze des Ankunftsplatzes. Diese Straße endet an einem großen Gebäude mit einer ungewöhnlichen Form: Es ist ein unvollendetes, einstöckiges Ziegelgebäude, ca. 40 Meter lang und 15 Meter breit. (Als wir die Informationen über Treblinka B in der ersten Septemberhälfte erhielten, befand sich dieses Gebäude kurz vor der Fertigstellung.) Die Deutschen begannen mit dem Bau dieses Hauses schon zu einem Zeitpunkt, als die Aktion noch andauerte - wahrscheinlich Mitte August und mit Hilfe jüdischer Handwerker, die sie unter den Juden ausgesucht hatten, die zwecks Ausrottung nach Treblinka gebracht worden waren. Es ist bezeichnend, dass die Ziegel für den Bau in Waggons, die an jeden Transport angehängt wurden, aus dem fernen Warschau herbeigeschafft worden waren. Die Ziegel wurden am Warschauer Umschlagplatz von jüdischen Arbeitern verladen. Laut Bericht eines Augenzeugen sieht das Innere des Gebäudes wie folgt aus: In der Mitte verläuft ein Korridor von 3 Metern Breite; auf jeder Seite befinden sich fünf Kammern; die Höhe jeder Kammer beträgt etwa 2 Meter, die Grundfläche etwa 35 Quadratmeter. Die Todeskammern haben keine Fenster, dafür aber Türen, die zum Korridor führen, sowie eine bestimmte Art von Klappen in den Außenwänden. Neben diesen Klappen befinden sich Rampen mit leicht hohler Oberfläche, die an große Backtröge erinnern. An den Wänden sind Rohre installiert, aus denen Wasserdampf in die Kammern einströmen soll. Dies soll das Todeshaus Nr. 2 werden.

Der Weg macht einen Bogen um das Haus herum und verläuft entlang seiner westlichen Seite. Er endet schließlich an dem nächsten Gebäude, dem Todeshaus Nr. 1. Dieses Gebäude liegt im rechten Winkel zum Todeshaus Nr. 2. Es ist in Ziegelbauweise errichtet und viel kleiner als das vorher geschilderte. Es besteht nur aus drei Kammern sowie einem Kesselraum. Entlang der Nordmauer dieses Hauses führt ein Korridor, von dem Türen zu den Kammern abgehen. Die Außenwand der Kammern hat Klappen (bis vor Kurzem Türen, die aus praktischen Gründen gegen Klappen ausgetauscht wurden). Auch hier verläuft in Höhe der Klappen eine Rampe von der Gestalt eines Backtrogs. Der Kesselraum liegt neben dem Gebäude. Innerhalb des Kesselraums befindet sich ein großer Kessel, der den Dampf erzeugt. Der überhitzte Wasserdampf tritt in die Kammern über Rohre, die dort installiert sind und die entsprechende Anzahl von Öffnungen aufweisen. Während des Betriebs dieser Todesmaschinerie bleiben die Türen und Klappen luftdicht verschlossen. Der Fußboden in den Kammern ist mit Terrakottafliesen ausgelegt, die sehr rutschig werden, sobald Wasser darüber gegossen wird. Es gibt einen Brunnen neben dem Kesselraum, den einzigen auf dem ganzen Gelände von Treblinka B. Unweit des Todeshauses, südlich des Stacheldrahtverhaus und des Bretterzaunes, liegt das Lager der Totengräber. Die Totengräber leben in einer Baracke neben den Küchengebäuden. Auf beiden Seiten dieses Lagers gibt es je zwei Wachhäuser. Die restliche Fläche von Treblinka B ist für die ermordeten Opfer bestimmt. Ein Teil dieser Fläche ist bereits ein großer Friedhof. Zunächst hoben Polen, die im Lager beschäftigt wurden, die Gräber aus. Als das Gemetzel später intensiviert wurde und die Notwendigkeit für mehr Gruben wuchs, wurden spezielle Bagger gebracht, die Tag und Nacht Gräber ausheben. Ein Dieselmotor liefert die Energie, und sein Rattern ist das charakteristische Geräusch in Treblinka B.

Die Aufseher und das Vollstreckungspersonal bestehen nur aus wenigen Leuten. Der Schlachthof wird von einem SS-Mann im Rang eines Majors geleitet. Er heißt Sauer. Das deutsche Personal besteht aus SS-Männern, die eine panische Angst vor ihrem Chef haben. Sobald sie ihn nur von Weitem sehen, treiben sie sowohl die jüdischen Arbeiter als auch die Opfer auf ihrem Weg in den Tod noch energischer an. Insgesamt gibt es zehn Deutsche und 30 Ukrainer.

Das deutsche Personal wechselt von Zeit zu Zeit. Manchmal kommen SS-Männer aus verschiedenen Städten des Generalgouvernements, die aktiv an den Aussiedlungen dort beteiligt sind, in das Lager.

Neben dem deutsch-ukrainischen Lagerschutz gibt es auch das jüdische Hilfspersonal, von dem ein Teil auf dem Lumpensortierungsplatz mit der Kleidung der Opfer beschäftigt ist und ein Teil als Totengräber dient. Sie leeren die Mordkammern und begraben die Toten. Der Rest arbeitet auf dem Ankunftsplatz. Die Gruppen des jüdischen Hilfsdienstes werden von Gruppenführern geleitet, die von den Deutschen "Kapos" genannt werden. Sie sind vergleichsweise besser ernährt als der Rest und tragen einen dreieckigen gelben Flicken auf dem Hosenknie, um sie von den anderen zu unterscheiden. Die Besetzung des jüdischen Hilfsdienstes ändert sich fast täglich. Aufgrund der unmenschlichen Behandlung durch die Deutschen kann ein Jude diese Arbeit selten länger als zwei Wochen durchstehen.

Sie werden ständig misshandelt und geschlagen; körperliche Strafen (25 Hiebe) sind ebenso an der Tagesordnung wie Erschießungen Entkräfteter, die nicht mehr arbeitsfähig sind. Dies wird vor allem durch den Chef selbst erledigt. Jeden Tag gibt es einen Appell. Der Deutsche fragt: "Wer fühlt sich nicht stark genug, um weiter zu arbeiten?" Ein paar Männer treten einen Schritt aus der Reihe, melden ihre Untauglichkeit und bitten ihn darum - wie um einen Gefallen - erschossen zu werden. Die Hinrichtungen finden an einem besonderen Ort statt. Das Opfer selbst steht aufrecht über einem Grab, während der Chef dem Opfer in den Hinterkopf schießt. Das nächste Opfer muss näher treten, die Leiche des Ermordeten in den Graben werfen und ein paar Augenblicke später das Schicksal seines Vorgängers teilen. Diese jungen Juden sind von den Strapazen so erschöpft, dass aller Wille zum Widerstand erloschen ist. Andererseits ist der deutsche Terror so grauenhaft, dass er sie sogar dazu bringt, sterben zu wollen, um nicht weitere unmenschliche Martern erdulden zu müssen. In den ersten Septembertagen ermordete der Chef von Treblinka im Verlauf eines einzigen Tages 500 junge Juden, indem er sie einer nach dem anderen mit seinem Karabiner erschoss. Das Verblüffende daran ist, dass nicht einer aus dieser Gruppe von ein paar hundert Männern versuchte, sich dem Tod zu widersetzen. Die Hinrichtung dauerte von 7.30 Uhr bis 15.00 Uhr.

Die verhältnismäßig leichteste Arbeit im Todeslager ist das Sortieren der Kleidung der Opfer. Während man dieser Arbeit zugewiesen ist, kann man nach Herzenslust essen, weil die "ausgesiedelten" Juden große Lebensmittelvorräte mitgenommen haben: Brot, Marmelade, Schmalz, Zucker. Doch der Chef belässt die Männer bei dieser Arbeit nicht für längere Zeit. Nach ein paar Tagen schickt er sie zum Ausheben der Gräber.

Die Lücken im jüdischen Hilfsdienst werden aus den in Treblinka ankommenden Transporten gefüllt. In der Regel kommen zwei Transporte täglich: einer am Morgen und einer gegen Abend. Doch wenn die Aktionen unter großem Zeitdruck stattfinden, treffen täglich ein paar Transporte ein. Jeder Zug besteht aus bis zu 60 Güterwaggons. Einige der Waggons halten auf dem Nebengleis gegenüber dem Ankunftsplatz, die übrigen aber werden zur Seite geleitet und warten dort, bis der erste Teil abgefertigt ist. Die Waggons sind schnell geleert. Die malträtierte und in höchstem Grad nervöse Menge atmet erleichtert auf, wenn sie auf den Platz hinausgelassen wird. Sie wird sofort vom jüdischen Hilfsdienst mit den "Kapos" an der Spitze in Empfang genommen. Diese geben Anweisungen in Jiddisch. Die Frauen und Kinder werden angewiesen, sofort die Baracke zu betreten, während die Männer auf dem Platz bleiben. Wenn sie sich umsehen, sehen sie an einem hohen Pfosten ein Schild hängen, auf dem in riesigen Lettern "Achtung Warschauer" geschrieben steht, obwohl Transporte mit Juden aus vielen anderen Städten des Generalgouvernements, aus Deutschland und den westeuropäischen Staaten nach Treblinka gebracht werden. "Macht euch keine Sorgen um euer Schicksal", so das Plakat, "Ihr geht alle zur Arbeit nach dem Osten. Ihr werdet arbeiten und eure Frauen werden den Haushalt führen. Vor der Abreise müsst ihr jedoch ein Bad nehmen und eure Kleidung muss entlaust werden. Ihr müsst eure Wertsachen und Geld an der Kasse deponieren, wofür Quittungen ausgehändigt werden. Nach dem Bad und der Entlausung werdet ihr alles wieder unversehrt zurückerhalten."

Während der ersten Phase des Mordens in Treblinka kam gewöhnlich ein SS-Offizier mit einem freundlichen, Vertrauen erweckenden Gesicht auf den Platz, um eine Ansprache mehr oder weniger ähnlichen Inhalts zu halten. Als jedoch im Laufe der Aktion immer größere Transporte aus verschiedenen Landesteilen eintrafen und die Menschenmassen schnell liquidiert werden mussten, schafften die Deutschen diese Ansprache als überflüssig ab.

Um die Juden glauben zu machen, auf dem Ankunftsplatz spiele sich tatsächlich eine Klassifizierung nach Berufen ab, um die Berufsgruppen zur Arbeit einzuteilen, stellen sie Tafeln mit Aufschriften hin: Schneider, Schuster, Tischler etc. Es versteht sich von selbst, dass eine solche Aufteilung nie stattfindet.

Die "Kapos" stellen die Männer rasch in Zehnerreihen auf, und befehlen ihnen, ihre Schuhe auszuziehen, sich völlig zu entkleiden und für ein Bad vorzubereiten. Jeder darf ein Stück Seife und seine Papiere mitnehmen. In der Zwischenzeit bringt der Sortierdienst die Kleidung zum Sortierplatz. Frauen und Kinder müssen sich ebenfalls vollständig entkleiden. Jetzt beginnt der letzte Akt der Tragödie von Treblinka. Die terrorisierten Massen von Männern, Frauen und Kindern treten ihren letzten Gang an, den Gang in den Tod. An der Spitze wird eine Gruppe von Frauen und Kindern getrieben und von den begleitenden Deutschen, die Peitschen in ihren Händen halten, geschlagen. Die Gruppe wird immer schneller angetrieben, immer schwerere Schläge prasseln auf die Köpfe der Frauen ein, die vor Angst und Schmerz den Verstand verlieren. Die Schreie und das Wehklagen der Frauen zusammen mit dem Gebrüll und den Flüchen der Deutschen unterbrechen die Stille des Waldes. Die Menschen haben endlich begriffen, dass sie in den Tod gehen. Am Eingang des Todeshauses Nr. 1 steht der Chef selbst mit einer Peitsche in der Hand. Er treibt die Frauen kaltblütig mit Schlägen in die Kammern hinein. Der Fußboden in den Räumen ist rutschig. Die Opfer rutschen aus und fallen hin, können aber nicht mehr aufstehen, weil Massen neuer, gewaltsam getriebener Opfer auf sie stürzen. Der Chef wirft kleine Kinder über die Köpfe der Frauen hinweg in die Kammern. Wenn die Mordkammern gefüllt und die Türen luftdicht verschlossen sind, beginnt das langsame Ersticken von lebenden Menschen durch Dampf, der aus den zahlreichen Öffnungen in den Rohren entweicht. Anfangs dringen erstickte Schreie nach außen; sie klingen allmählich ab und 15 Minuten später ist die Vernichtung vollzogen.

Nun sind die Totengräber an der Reihe. Mit Schreien und Flüchen treiben die Deutschen die Totengräber zur Arbeit an, die darin besteht, die Leichen aus den Hinrichtungskammern zu schaffen. Die Totengräber stehen bei der Rampe gegenüber den Klappen. Die Klappen werden geöffnet, aber nicht ein Körper fällt heraus. Aufgrund des Dampfes wurden alle Leichen zu einer homogenen Masse vereint, die durch den Schweiß der Opfer zusammengehalten wird. In ihrem Todeskampf haben sich Arme, Beine und Leiber auf makabre Weise miteinander verschlungen. Um es den Totengräbern zu ermöglichen, einzelne Leichen herauszuziehen, wird kaltes Wasser aus dem nahen Brunnen über die Masse gegossen. Dann lösen sich die Körper voneinander und können herausgenommen werden. In der Regel sind die Leichname äußerlich nicht entstellt, nur Kopf und Gesäß haben sich violett verfärbt. Von den Deutschen unablässig geschlagen und gehetzt, legen die Totengräber die Leichen auf die Rampe, bis die Kammern leer sind. Die Leichen liegen aufgeschichtet da wie geschlachtetes Vieh. Nun beginnt das Vergraben. Noch bis vor Kurzem (erste Augusthälfte) standen den jüdischen Totengräbern Handkarren zur Verfügung, um die Leichen zu den Gruben zu schaffen. Dies musste in größter Eile erledigt werden. Unlängst schaffte der Chef die Erleichterung jedoch ab. "Ein Mann - zwei Leichen", was bedeutet, dass jeder Totengräber zwei Leichen zu begraben hat. Er bindet die Beine oder die Arme des Leichnams mit seinem Gürtel fest und schleift sie im Laufschritt von der Rampe zu den Gräben, wirft sie hinein und kehrt wiederum im Laufschritt zur nächsten Ladung zurück. Früher befanden sich die Gräber direkt am Todeshaus, und man konnte die Ermordeten rasch verscharren. Doch mit dem Eintreffen ständig neuer Opfer hat sich die Grablinie immer weiter nach Osten verschoben, und das Schleppen der Leichen zu den Gräbern dauert länger und länger. Nachdem die Grube gefüllt ist, bedecken die Totengräber die Leichen schnell mit Erde und der Bagger bereitet in der Nähe das nächste Grab vor.

Die Ermordung der Männer erfolgt auf gleiche Weise. Auch sie werden über die Straße im Wald in den Tod getrieben. Die Opfer reagieren unterschiedlich, wenn sie in Richtung des Todeshauses getrieben werden. Einige wiederholen laut Bußpsalmen und bekennen ihre Sünden, andere verfluchen Gott. Doch ein schriller Schrei der Deutschen und die prasselnden Schläge auf die Rücken der Todgeweihten bringen die ganze Menge sofort zum Schweigen. Manchmal haben nicht alle Opfer Platz in den überfüllten Kammern. Dann halten die Deutschen den Rest in dem Wäldchen in der Nähe des Schlachthofs zurück. Diese Menschen sehen und hören alles, doch fehlt ihnen jeglicher Selbsterhaltungstrieb.

Dies ist der unwiderlegbare Beweis für den grausamen Terror, den die Deutschen ihren Opfern gegenüber ausüben.

Das neue Todeshaus erlaubt die gleichzeitige Liquidierung von 8.000 bis 10.000 Opfern. Wenn wir bedenken, dass gerade in diesem Augenblick 2.000.000 ermordete Juden, d. h. der größte Teil des polnischen Judentums, bereits in der Umgebung von Treblinka begraben sind, so drängt sich uns die beunruhigende Frage auf: Auf wen haben es die SS-Männer mit dem neuen Mordhaus abgesehen? Wer soll seine letzten Atemzüge in diesem Schlachthof aushauchen? Wahrscheinlich wird sich die Todesmaschinerie, einmal in Gang gekommen, nicht auf die Ermordung von Juden allein beschränken. Derzeit steht das Gespenst des Todes in den Dampfkammern dem polnischen Volk vor Augen. Es gibt bereits einige Anzeichen dafür: Nach dem Bericht eines Augenzeugen haben die Deutschen in der zweiten Augusthälfte eine Gruppe von Polen im Todeshaus Nr. 1 umgebracht.

Anmerkungen

  1. The Black Book of Polish Jewry, erschienen 1943 bei Roy Publishers, New York. Diese Übersetzung folgt der englischsprachigen Ausgabe von 1943, Kapitel 9, Treblinka - Official Report submitted to the Polish Government, S. 141-147. Inzwischen ist eine direkt aus dem Polnischen übersetzte deutsche Fassung erschienen: Die Verfolgung und Ermordung der polnischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945, Band 9, Polen: Generalgouvernement 1941-1945, bearbeitet von Klaus-Peter Friedrich, Oldenbourg Verlag, München 2014. Zwischen der hier vorgelegten Fassung und der Veröffentlichung des Oldenbourg Verlag bestehen naturgemäß gewisse Unterschiede, die jedoch dem wesentlichen Gehalt des Berichts keinen Abbruch tun. Kursiv gesetzte Schrift im Bericht: Deutsch im Original. [zurück]
  2. Laut Fassung des Oldenbourg-Verlag, S. 527: "Tatsächlich erstreckte sich das Lagergelände über ca. 17 ha." Auf der Website des United States Holocaust Memorial Museum heißt es dagegen: "The camp was laid out in a trapezoid of 1,312 by 1,968 feet." Dies entspricht einer Seitenlänge von rund 400 x 600 Metern und rund 24 ha. Die Seitenlänge von 400 x 600 Metern deckt sich wiederum recht genau mit den Angaben z.B. in Enzyklopädie des Holocaust, S. 1428. Möglicherweise beruhen die unterschiedlichen Werte auf Umrechnungs- bzw. Rundungsfehlern zwischen Quadratfuß/Acres und Quadratmetern/Hektar. [zurück]
  3. Kursiv gesetzte Schrift: Deutsch im Original [zurück]

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